Das deutsche Strafrecht sieht nicht für jede Straftat vor, dass dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt wird. Nur in wenigen gesetzlich geregelten Fällen ist es vorgesehen, dass ein Pflichtverteidiger an einer Gerichtsverhandlung mitwirkt.
Diese Fälle sind
- Verhandlung vor höherem Gericht in 1. Instanz
Ein Pflichtverteidiger muss dem Beschuldigten beigeordnet werden, wenn die Verhandlung in erster Instanz vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht stattfindet. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen eine Haftstrafe von mehr als vier Jahren droht oder um Delikte, die den Staatsschutz betreffen.
- Verbrechen
Wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen vorgeworfen wird, muss ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden. Verbrechen sind Straftaten, bei denen eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr droht.
- Drohendes Berufsverbot
In einigen Fällen sieht das Gesetz vor, dass das Gericht ein Berufsverbot anordnen kann. Auch dann ist ein Pflichtverteidiger beizuordnen.
- Untersuchungshaft
Ein Pflichtverteidiger ist auch dann beizuordnen, wenn gegen den Beschuldigten aufgrund eines Haftbefehls Untersuchungshaft angeordnet und vollstreckt wird.
- Anstaltsunterbringung
Sollte sich der Beschuldigte aufgrund einer richterlichen Anordnung mindestens drei Monate vor der Verhandlung ununterbrochen in einer Anstalt befunden haben und nicht mindestens zwei Wochen davor entlassen wird, ist ebenfalls ein Pflichtverteidiger beizuordnen.
- Unterbringung nach § 81 StPO
Weiterhin ist ein Verteidiger beizuordnen, wenn eine Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten in Betracht kommt.
- Durchführung des Sicherungsverfahrens
Ein Verteidiger muss auch dann beigeordnet werden, wenn ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird. Hierbei kommt anstatt einer Verurteilung zu Freiheitsstrafe die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt in Betracht.
- Ausschließung des Wahlverteidigers
Ein Pflichtverteidiger ist auch dann zu bestellen, wenn der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist.
- Generalklausel des § 140 Abs. 2 StPO
Schließlich kann ein Pflichtverteidiger bestellt werden, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.
Ein Anwalt, der eine Pflichtverteidigung übernimmt, steht ebenso auf der Seite des Beschuldigten wie ein selbst beauftragter Rechtsanwalt. Ist er als Pflichtverteidiger beigeordnet worden, erhält er aber seine Gebühren aus der Staatskasse.
Vor einer Beiordnung eines Pflichtverteidigers ist der Beschuldigte anzuhören, um einen Strafverteidiger seiner Wahl benennen zu können. Von diesem Wahlrecht sollte unbedingt Gebrauch gemacht werden, da ansonsten das zuständige Gericht einen Pflichtverteidiger bestellt.